MUSKEL-
ERKRANKUNGEN
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MUSKELERKRANKUNGEN

Wenn Sie älter als 50 Jahre alt sind und sich plötzlich vermindert leistungsfähig fühlen, Gewicht abnehmen und Muskelschmerzen haben, und vielleicht auch Kopfschmerzen oder eine Sehstörung vorliegen, kann eine sogenannte Polymyalgia rheumatica oder Riesenzellarteriitis dahinter stehen.
Dies ist ein häufiges Krankheitsbild, das sehr gut behandelbar ist, wenn es rechtzeitig erkannt wird. Im Blut finden sich deutlich erhöhte Entzündungswerte (CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit).
Die Beschwerden bilden sich typischerweise sehr schnell zurück, wenn die Therapie rechtzeitig eingeleitet wird.

Es gibt eine große Vielzahl an unterschiedlichen Muskelerkrankungen.
Hierzu zählen erblich bedingte Erkrankungen wie die Muskeldystrophien, die Myopathien und die Myotonien, aber auch toxische und endokrine (hormonell bedingte) Myopathien und die Muskelentzündungen (Myositiden).

Unter den erblich bedingten Muskeldystrophien gibt es die Myotonen Dystrophien, die Fazio-skapulo-humerale Muskeldystrophie und verschiedene Formen der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp (LGMD), sowie kongenitale (angeborene, früh manifestierte) Muskeldystrophien.

Zu den erblich bedingten Myopathien zählen die kongenitalen Myopathien, die Strukturmyopathien und die metabolischen (durch Stoffwechselstörungen bedingte) Myopathien. Wenn eine Muskelatrophie und Schwäche vor allem die Unterarm- und Unterschenkelmuskeln betrifft, spricht man auch von einer distalen Myopathie.

Die Muskeldystrophien (MD) sind durch eine fortschreitende Muskelschwäche und Muskelmasse-Abnahme (Atrophie) gekennzeichnet. Sie unterscheiden sich im Verteilungsmuster und im Schweregrad der Symptomatik.
Typische Befunde in der Muskelbiopsie sind eine vermehrte Variation des Durchmessers der Muskelfasern, ein Nebeneinander von untergehenden und regenerierenden Muskelfasern und eine Vermehrung des Bindegewebes.
Es gibt Muskeldystrophien, die sich durch bestimmte Färbungen der Präparate der Muskelbiopsie weiter hinsichtlich der wahrscheinlichen genetischen Ursache zuordnen lassen, wie zum Beispiel die Muskeldystrophie Typ Duchenne oder die Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp mit Mutation im Calpain-Gen, andere lassen sich nur genetisch weiter zuordnen (wie zum Beispiel die Fazio-skapulo-humerale Muskeldystrophie oder die Myotone Dystrophie Typ I und Typ II).
MD können sich in jedem Lebensalter manifestieren, eine erbliche Ursache bedeutet nicht, dass schon bei Geburt Symptome vorliegen müssen, oder dass andere Betroffene in der Familie bekannt sein müssen.

Ungefähr bei einem von 3500 Menschen in der deutschen Bevölkerung kann eine vererbte neuromuskuläre Erkrankung vorliegen, die sich bei Geburt oder im Verlauf des späteren Lebens äußert.
Am häufigsten tritt die Muskeldystrophie Typ Duchenne auf, die X-chromosomal vererbt wird und durch eine Mutation im Dystrophin-Gen bedingt ist. Diese manifestiert sich bereits im Kindesalter bei Jungen. Auch Überträgerinnen der Erkrankung können eine (meist milde) Manifestation der Erkrankung an Herz- oder Skelettmuskulatur zeigen.
Liegt eine Verteilung der Muskelschwäche mit Bevorzugung der Schulter- und Hüftmuskulatur (Gliedergürtel) vor, die nicht durch eine Mutation im Dystrophin-Gen bedingt ist, kann neben einer Myotonen Muskeldystrophie Typ II, die sich oft im Erwachsenenalter manifestiert, auch eine Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp (limb girdle muscular dystrophy, LGMD) vorliegen. Hierunter finden sich autosomal und rezessiv vererbte Mutationen von Genen, die oft für ein bestimmtes wichtiges Protein in der Muskelfaser kodieren. Diese Erkrankungen können sich schon im frühen Kindesalter manifestieren oder erst später symptomatisch werden. Je nach betroffenem Gen ist eine Beteiligung der Herz- oder Atemmuskulatur möglich.

Warum ist es wichtig, eine Muskelerkrankung genau zuzuordnen?
Eine möglichst exakte Zuordnung der Erkrankung ist wichtig, da hierdurch Vorhersagen zu Verlauf und Prognose der Erkrankung ermöglicht werden. Zudem kann eine Berufsberatung erfolgen. Komplikationen durch Manifestationen an anderen Organsystemen, z.B. an der Herz- oder Atemmuskulatur kann vorgebeugt werden.

Auch die genetische Familienberatung und der zukünftige Einschluss in klinische Studien und Studien für molekulare Therapieformen sind so möglich.

Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen bei der Diagnose einer Muskeldystrophie?
Die unterstützende (symptomatische) Therapie verbessert Lebenserwartung und –qualität von Menschen mit einer Muskeldystrophie. Physiotherapie und Hilfsmittelversorgung ermöglichen eine unterstützende Behandlung und oft die Teilhabe am Arbeitsleben und am öffentlichen Leben.
Auch eine logopädische Behandlung und eine Ergotherapie kann hilfreich sein.
Wichtig ist die Zusammenarbeit mit spezialisierten Ärzten anderer Fachgruppen, wie z.B. Neuro-Orthopäden, Kardiologen und Pulmologen.
Der frühe Einsatz der nicht-invasiven Beatmung kann entscheidend die Lebensqualität bei Beteiligung der Atemmuskulatur verbessern.
Einige Erkrankungen können auch das Gehirn betreffen und mit epileptischen Anfällen verbunden sein. Hier erfolgt dann eine medikamentöse Behandlung.

Insbesondere bei noch gehfähigen Patienten mit der Muskeldystrophie Typ Duchenne führt die Behandlung mit Deflazacort (einem Corticosteroid) zu einer Verzögerung des Fortschreitens der Erkrankung.

Eine Therapie mit Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. Kreatinmonohydrat) kann im Einzelfall sinnvoll sein, hierauf deuten Studien bei Patienten mit verschiedenen Muskeldystrophien (MD Duchenne, LGMD, FSHD) hin.

Welche molekularen Therapieansätze gibt es?
Verschiedene gentherapeutische Ansätze werden derzeit in Studien getestet.

Dabei ist die Art und Lokalisation der genetischen Veränderung entscheidend für die Wirksamkeit. Liegt beispielsweise bei der Muskeldystrohie Typ Duchenne eine bestimmte genetische Veränderung vor, eine sog. Nonsense-Mutation, die etwa 13% der Patienten mit dieser Erkrankung tragen, kann das Medikament Ataluren zu einer Verzögerung der Erkrankung führen. Dies wurde in einer 48-wöchigen multizentrischen, internationalen, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie gezeigt, sodass das Medikament die bedingte Zulassung der Europäischen Behörden zur Behandlung von MD Duchenne erhielt. Weitere Studien folgen.
Ataluren kann Patienten mit einer MD Typ Duchenne und Nonsense-Mutation, die noch gehfähig und älter als 5 Jahre sind, vom Arzt oder Muskelzentrum verordnet werden.

Eine andere Strategie, um auf molekularer Ebene in den Krankheitsprozess bei der Muskeldystrophie Typ Duchenne einzugreifen, ist die Verwendung sogenannter Antisense-Oligonukleotide (AON). Dies ist möglich, wenn die Erkrankung auf einer Deletion des Dystrophie-Gens beruht.
In tierexperimentellen Studien konnte gezeigt werden, das mit dieser Therapie ein zwar verkürztes, aber funktionsfähiges Protein gebildet wird, sodass sich die Erkrankung in einer milderen Manifestation zeigt. Es mußte jedoch eine Injektion direkt in betroffene Muskeln erfolgen, die in gewissen Abständen auch wiederholt werden mußte, ein Einsatz außerhalb von Studien ist nicht möglich. Klinische Studien mit einer systemischen Gabe sind derzeit in Planung.
Die Anwendung dieses Prinzips bei anderen angeborenen Muskeldystrophien ist eingeschränkt, da dort in den meisten Fällen keine Deletionen, sondern Punktmutationen vorliegen.

Ein weiteres erfolgversprechendes gentechnisches Verfahren (CRISPR Technologie) kann das krankheitserregende Gen, zum Beispiel bei der Fazio-skapulo-humeralen Muskeldystrophie minimieren. Dies wurde in einer 2015 publizierten Studie unter der Leitung von Peter Jones, PhD, an der medizinischen Fakultät der Universität Massachusetts (UMMS) erstmalig im menschlichen Muskel gezeigt. Die Technik basiert auf einem Mechanismus, den Bakterien einsetzen, um ihre Erbsubstanz von fremden Genen zu reinigen. Sie könnte grundsätzlich eingesetzt werden, um bestimmte Sequenzen in der DNA zu ändern oder zu beseitigen, allerdings muß sichergestellt sein, dass wirklich sehr spezifische Schnitte des Genoms erfolgen. Zudem könnte mit dieser Technik der Erscheinungsstatus eines bestimmten Gens durch Genaktivierung oder Unterdrückung von Proteinen (Eiweißen) geändert werden. So könnten krankheitserregende Gene stillgelegt oder nützliche Gene aktiviert werden.

In den letzten Jahren hat sich der Fokus auf die Therapie mit Stammzellen gerichtet. Verschiedene Formen von Stammzellen wurden zur Behandlung der Muskeldystrophie bereits auf Zellkulturebene untersucht, allerdings gibt es noch keine Studien zur Frage eines funktionellen Wirkungsnachweises beim Menschen. Stammzellen haben den Vorteil, dass nur eine kleine Anzahl von Zellen sowie ein entsprechendes Stimuationssignal zur Expansion nötig ist, um einen therapeutischen Effekt zu erzielen, und dass eine systemische Verabreichung möglich ist.

Welche Muskelentzündungen sind bekannt?
Es werden unter den autoimmun bedingten Myositiden die Dermatomyositis, die Polymyositis, die nekrotisierende Myositis und die sporadische Einschlusskörpermyositis unterschieden, daneben gibt es auch eine Myositis im Rahmen einer Sarkoidose, eine eosinophile Myositis und eine unspezifische Begleitmyositis bei rheumatologischen Erkrankungen.

Infektiös bedingte Muskelentzündungen können durch Viren (z.B. HIV, Coxsackie-B-Viren), Bakterien (z.B. Lepra, Mycoplasma pneumoniae), Parasiten (z.B. Sarkosporidiose, Zystizerkose, Schistosomiasis) oder durch Pilze (z.B. Kryptokokken) ausgelöst werden. Die erregerbedingten Formen sind in Europa selten.

Durch eine lokale Muskelverletzung kann es auch einmal zu einer traumatisch bedingten Myositis mit einer Einlagerung von Kalksalzen kommen (Myositis ossificans).

 

Welche Symptome sind typisch bei Muskelentzündungen?
Muskelentzündungen sind durch eine oft akut über Tage oder Wochen bzw. wenige Monate eintretende Muskelschwäche, die meist von einem Gewichtsverlust begleitet wird, gekennzeichnet. In einem MRT der betroffenen Muskulatur findet sich zumeist ein Ödem (Flüssigkeitsansammlung) in den betroffenen Muskeln, in der Muskelbiopsie sind Veränderungen der Muskelfasern und ein Nachweis von Entzündungszellen vorhanden.

Kann man die Muskelentzündungen anhand ihres Verlaufes am Beginn unterscheiden?
Die verschiedenen Formen der Muskelentzündung können einen unterschiedlichen Verlauf aufweisen:

Bei der Dermatomyositis entwickelt sich die Schwäche oft rasch über Tage bis Wochen und ist von einer charakteristischen Hautveränderung begleitet. Oft sind die Oberarm- und Oberschenkelmuskeln schwerpunktmäßig betroffen.
Bei der Polymyositis entwickelt sich die Schwäche oft schleichend über Wochen bis Monate und es liegt häufig neben der Schwäche der Oberarme und Oberschenkel auch eine Schluckstörung oder eine Schwäche der Nackenmuskulatur vor.
Auch Gelenkschmerzen können begleitend bestehen.
Die nekrotisierende Myositis kann entweder einen sehr akuten und fulminanten Verlauf nehmen und bis zur Beatmungspflichtigkeit führen oder sich selten auch einmal schleichend entwickeln.
Die sporadische Einschlußkörperchenmyositis beginnt klassischerweise nach dem 50. Lebensjahr und entwickelt sich schleichend und chronisch über Monate bis Jahre. Typisch ist eine asymmetrische Schwäche, die oft am Beginn die Fingerbeugermuskeln und Oberschenkelmuskeln betrifft. Bei vielen Menschen kommt es im Verlauf auch zu einer Schluckstörung, auch die Atemmuskulatur kann spät mitbetroffen sein.

Herz- und Atemmuskulatur sowie die Lunge (interstitielle Lungenerkankung bei Jo1-Ak-Syndrom) können bei Muskelentzündungen (Dermatomyositis, Polymyositis, nekrotisierende Myositis) mitbetroffen sein.

Wie sichert man die Diagnose einer Myositis?
Die Anamnese- und Befunderhebung, die Bestimmung der Creatinkinase im Serum, EMG, MRT der Muskulatur und Muskelbiopsie sind zur Diagnosesicherung notwendig.
Die Ck kann bis zum 50-fachen der Norm erhöht sein.
Es können Antikörper im Serum gefunden werden, so ist beispielsweise eine Dermatomyositis mit Nachweis von Mi2-Ak häufig mit einem guten Ansprechen auf die Therapie mit Cortison verbunden.
Bei Nachweis von Antikörpern gegen Aminoacyl-tRNA-Synthetasen (z.B. Antikörpern gegen Jo-1, PL-7, PL-12, EJ, OJ, KS) liegt ein sog. „Anti-Synthetase-Ak-Syndrom“ vor.
Hierbei können eine interstitielle Lungenerkrankung und eine Polyarthritis als weitere Manifestation auftreten.
Hinweis auf eine Tumorassoziation der Muskelentzündung geben Antikörper wie TIF1 und NPX2-Ak.
Eine nekrotisierende Myopathie mit Nachweis von anti-SRP-Ak spricht oft schlecht auf Cortison an, andere Medikamente können gut wirksam sein. Bei der nekrotisierenden Myopathie können auch HMGCoA-Reduktase-Ak nachgewiesen werden.
Bei der sporadischen Einschlußkörperchenmyositis können bei einem Teil der Patienten Antikörper gegen die zytoplasmische 5‘-Nukleotidase 1A (CN1A bzw. MUP44) nachgewiesen werden.

In der Elektromyographie (EMG) zeigt sich bei der akuten Myositis typischerweise eine pathologische spontane Aktivität im Muskel. Bei willkürlicher Muskelaktivierung sind die Potentiale motorischer Einheiten oft durch eine verkürzte Dauer, reduzierte Amplitude und eine vermehrte Anzahl von Phasen (Null-Durchgängen) gekennzeichnet.
Diese Befunde sind jedoch nicht spezifisch für Muskelentzündungen sondern zeigen lediglich eine
aktive Muskelerkrankung an.
Allerdings ist individuell das Ausmaß der pathologischen Spontanaktivität ein guter Marker für die Krankheitsaktivität.

Bei der sporadischen Einschlußkörperchenmyositis finden sich oft chronische myopathische Veränderungen, die Amplituden der Muskelpotentiale können durch regenerative Vorgänge erhöht sein und neurogen verändert anmuten.

Welche Befunde zeigt die Muskelbiopsie?
Es finden sich Entzündungszellen entweder direkt in oder in der Umgebung der Muskelfasern oder im Bindegewebe, das die Muskelfaser umgibt. Diese können weiter durch immunhistochemische Färbungen klassifiziert werden. Zudem wird das Verteilungsmuster und das Ausmass der Muskelfaseruntergänge mit bewertet.
Die sporadische Einschlußkörperchenmyositis wurde nach den charakteristischen Einschlüssen in den Muskelfasern benannt, die bei dieser Erkrankung neben den entzündlichen Veränderungen zu finden sind.

Welche Therapiemöglichkeiten bestehen bei Myositis?
Viele Patienten mit einer Polymyositis oder Dermatomyositis sprechen gut auf eine Therapie mit Prednisolon oder auf eine Kombinationstherapie von Prednisolon mit einem Immunsuppressivum an.
Die Therapie muß ausreichend lange erfolgen, die Dosisreduktion muß schleichend erfolgen. Trotzdem besteht die Möglichkeit eines Rezidivs.
In einigen Fällen bestehen eine fortdauernde Krankheitsaktivität, eine Therapieresistenz oder nicht-tolerierbare Nebenwirkungen, sodass eine Umstellung der Medikation erforderlich wird.
So können intravenös verabreichte Immunglobuline bei der Poly- und Dermatomyositis und bei nekrotisierender Myositis bei Versagen der Standardtherapie bzw. beim Auftreten nicht-tolerierbarer Nebenwirkungen der konventionellen Therapie zusätzlich für zunächst 3-6 Monate zur Anwendung kommen.

Parallel sollte ein Ausschluß einer Tumorerkrankung erfolgen, da Muskelentzündungen manchmal ein Ausdruck einer bestehenden anderen Erkrankung sein können.

Zur Behandlung der sporadischen Einschlußkörperchenmyositis steht bislang keine etablierte Therapie zur Verfügung. Aufgrund der aktuellen Studienlage besteht in den aktuellen Leitlinien die Empfehlung, einen Therapieversuch mit einer intravenösen Immunglobulintherapie über 6 Monate durchzuführen, Effekte der Behandlung sind insbesondere auf die Schluckstörung zu erwarten, auch eine Verzögerung des Gehverlustes ist möglich. Nach 6 Monaten sollte der Therapieeffekt beurteilt und entschieden werden, ob die Therapie fortgesetzt werden sollte.

Eine regelmäßige Physiotherapie ist wichtig, um die vorhandene Muskulatur zu fördern und zu stabilisieren und Kompensationsstrategien zu fördern.

Stoffwechselstörungen der Muskulatur können die verschiedenen Wege der Energiegewinnung in der Muskelfaser betreffen: den Glucosestoffwechsel, den Fettstoffwechsel und die mitochondriale Funktion.

Die Mitochondriopathien führen zu einem Mangel an ATP, dem Energieträger in der Zelle.
Hiervon können insbesondere die Organe mit einem hohen Energiebedarf, wie Muskulatur, Gehirn, Leber und Bauchspeicheldrüse, in unterschiedlicher Schwere betroffen sein.
Es gibt eine Vielzahl genetischer Ursachen, die zu einer Störung der Mitochondrienfunktion führen können. In der Mehrzahl der Erkrankungen sind Mitochondriopathien Erkrankungen, die in unterschiedlichem Ausmass mehrere Organe gleichzeitig betreffen.
Sie können sich bereits nach der Geburt manifestieren oder aber erst im Laufe des Lebens symptomatisch werden. Die betroffenen Patienten beklagen oft eine leichte Erschöpflichkeit der Muskulatur, in unterschiedlichem Schweregrad kann auch eine manifeste Muskelmasseabnahme oder ständige Schwäche vorliegen. Oft besteht eine Schwäche der Lidheber und der Muskeln, die die Augenbewegungen koordinieren.

Wie können Mitochondriopathien nachgewiesen werden?
Eine EMG-Untersuchung ist in vielen Fällen einer Stoffwechselstörung der Muskulatur nur gering oder gar nicht auffällig, liefert also durch unauffällige Befunde bei bestehender Schwäche und Ausschluß anderer Ursachen oft einen wichtigen Hinweis.

Eine Muskelbiopsie aus einem betroffenen Muskel kann oft den typischen Gewebsbefund einer Mitochondriopathie ergeben.
Zudem ist aus dem entnommenen Muskelpräparat eine Bestimmung wichtiger Enzyme der Atmungskette (der Mitochondrien) möglich, auch eine genetische Analyse aus der Muskulatur ist möglich und oft sensitver als eine Analyse der DNA aus den Bluzellen.

Wie können Mitochondriopathien behandelt werden?
Die Ursache mitochondrialer Krankheiten, die zugrundeliegenden Gendefekte, sind bislang noch nicht therapierbar.
Wichtig ist, lebensbedrohliche Komplikationen, wie Herzrhythmusstörungen zu erkennen und zu behandeln (z.B. durch Herzschrittmacherimplantation), bei Vorliegen einer Atemmuskelschwäche kann eine unterstützende Maskenbeatmung oft die Lebensqualität sehr positiv beeinflussen.
Die Einnahme von bestimmten Präparaten (z.B. Riboflavin, Thiamin) kann eine Besserung bewirken. Gerade bei einem primären Coenzym Q10-Mangel kann eine Coenzym-Q10-Einnahme eine deutliche Besserung bewirken.

Wichtig ist die physiotherapeutische Behandlung mit einem aeroben Training die Muskelkraft.
Sind andere Organe als die Extremitätenmuskulatur betroffen, werden diese symptomatisch behandelt, (z.B. Behandlung einer Epilepsie, eines Diabetes mellitus, einer Herzmuskelschwäche oder einer Herzrhythmusstörung).
Wichtig ist, dass bestimmte Medikamente Mitochondrioapthien verschlechtern und deshalb nicht verabreicht werden dürfen (Kontraindikation!), hierzu zählen unter anderem: Valproinsäure, Barbiturate und Aminoglycoside.
Vermieden werden sollten unter anderem auch: Phenytoin, Carbamazepin, Oxcarbazepin.

Eine Erkrankung im Spektrum der Mitochondriopathien ist die Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON). Diese führt unbehandelt zu einer massiven Visusminderung im zentralen Gesichtsfeld beider Augen. Es steht seit 2015 mit Raxone® (Wirkstoff: Idebenon) ein Medikament zur Behandlung der LHON zur Verfügung, das auf die Mitochondrien in den retinalen Ganglienzellen wirkt und freie Radikale unschädlich macht. Es werden  über ein bis zwei Jahre dreimal täglich zwei Tabletten zu den Mahlzeiten genommen. Wenn sich unter einer zweijährigen Therapie keine Besserung einstellt, sollte die Behandlung abgebrochen werden. Bei einem frühzeitigen Therapiebeginn ist von einem besseren Ansprechen auszugehen. Eine Gentherapie wird bei dieser Erkrankung in Studien derzeit erprobt. Wichtig ist zudem eine ausgewogene und nährstoffreiche Kost mit Vitamin A, C, E und Selen. Regelmäßige Portionen Obst und Gemüse, fettarme Milchprodukte, hochwertige Pflanzenöle sowie regelmäßige Fisch- und gelegentliche Fleischmahlzeiten sind geeignet.

Bei diesen Erkrankungen bestehen oft belastungsabhängige Muskelschwäche, Verkrampfung und Verhärtung der Muskulatur unter Belastung und eine anfallsweise oder dauerhafte Erhöhungen von Muskelenzymen im Blut. Eine Abnahme der Muskelmasse tritt in unterschiedlichem Ausmaß bei den verschiedenen Formen auf. Die Einteilung erfolgt je nach dem betroffenen Enzym, das vermindert oder gar nicht gebildet wird.

In Europa sind die häufigsten Glycogenosen die Glycogenosen vom Typ II (M. Pompe), Typ V (Morbus McArdle) und Typ VII (M. Tarui).

Informationen zur Glycogenose Typ II (M. Pompe)

Was ist die Ursache der Glycogenose Typ II und wie äußert sich die Erkankung?
Durch eine (autosomal rezessive) Mutation des GAA-Gens kommt es zu einer reduzierten oder fehlenden Aktivität des Enzyms saure Maltase (alpha-1,4-Glucosidase/GAA). Dieses hat die Funktion, Glucose aus Maltose, Oligosacchariden und Glykogen innerhalb der zellulären Vakuolen (=Lysosomen) freizusetzen.

Durch den gestörten Abbau bei Fehlen oder verminderter Aktivität der sauren Maltase kommt es dazu, dass in den Lysosomen Glycogen vermehrt abgelagert wird und die Funktion der Zellen beeinträchtigt wird. So kann zum Beispiel der Muskel bei starker Glycogenablagerung in der Muskelfaser nicht mehr so stark kontrahieren, außerdem gehen auch stark betroffene Zellen zugrunde.
Bei der schwersten Form, die sich bereits in den ersten Lebensmonaten manifestiert, betrifft die Erkrankung neben der Skelettmuskulatur auch das Herz, die Leber und das Gehirn und die Nerven.
Bei der spät-beginnenden Form, die sich ab der Kindheit ausprägen kann, besteht in der Regel keine Herz- und Gehirnmanifestation.
Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine langsam sich verschlechternde Schwäche der Körperstamm-nahen Muskulatur und der Bauch- und Rückenmuskulatur.
Eine Beteiligung der Zwerchfellmuskulatur kann zu Kurzatmigkeit und nächtlicher verminderter Atmung führen.
Bei dieser Erkrankung kann eine große Variabilität in der Schwere der Muskelschwäche und der Beteiligung der verschiedenen Muskeln bestehen.
Wenn die Rückenmuskulatur stark betroffen ist, kann eine Seitwärtsverkrümmung der Wirbelsäule oder eine Steifigkeit der Wirbelsäule vorliegen.
Wichtig ist es, eine Veränderung der Arterien, ein sog. Aneurysma, im Gehirn oder an der Aorta auszuschließen.
Auch das vorliegen von Herzrhythmusstörungen sollte durch regelmäßige Kontrollen ausgeschlossen werden.

Wie kann die Glycogenose Typ II nachgewiesen werden?
Es erfolgt eine Messung der Enzymaktivität der sauren Maltase im Trockenbluttest, wenn eine Auffälligkeit besteht, erfolgt eine humangenetische Testung.

Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen?
Neben der symptomatischen Behandlung mittels Physiotherapie mit Ausdauertraining der Muskulatur und ggf. notwendiger Behandlung der Atemmuskelschwäche mit nicht-invasiver Beatmung wird eine Eiweiss-reiche und Kohlenhydrat-arme Ernährung empfohlen.
Seit 2006 steht eine Enzymersatztherapie mit einem gentechnisch hergestellten rekombinanten humanen Enzympräparat (Glucosidase alpha) zur Verfügung. Das fehlende Enzym kann also durch eine regelmäßig alle 2 Wochen stattfindende mehrstündige Infusion zugeführt werden.
Es können sich im Verlauf der Therapie allergische Reaktionen entwickeln, deshalb sollte die Behandlung durch ein hierfür spezialisiertes Team oder in einer hierfür spezialisierten Praxis bzw. Klinik erfolgen.
Es steht bislang keine Gentherapie zur Verfügung.

Informationen zur Glycogenose Typ V (M. McArdle)

Was ist die Ursache der Glycogenose Typ V und wie äußert sich die Erkankung?
Es liegt ein autosomal rezessiv vererbter Mangel oder Fehlen des Enzyms Myophosphorylase in der Skelettmuskulatur vor, der etwa mit einer Häufigkeit von 1 Betroffenen pro 300.000 Menschen auftritt. Durch den Enzymmangel kann das Glycogen in der Muskulatur nicht abgebaut werden, es fehlt damit Energie in der Muskulatur bei körperlicher Belastung, insbesondere am Beginn der Aktivität.
So treten typischerweise vorübergehende Muskelschmerzen, Verkrampfungen oder Steifigkeitsgefühl der Muskulatur auf, dieses kann sich nach kurzer Pause und fortdauernder Ausdauerbelastung wieder bessern, da dann die Energiegewinnung aus der Verarbeitung von Fettsäuren erfolgen kann.
Im Labor besteht häufig eine Erhöhung der Muskelenzyme, die nach muskulärer Belastung auch sehr stark ausgeprägt sein kann und mit einer rötlichen Verfärbung des Urins einher gehen kann. Wenn dies vorliegt, sollte zeitnah eine Messung der Konzentration der Muskelenzyme erfolgen und reichlich Flüssigkeit zugeführt werden. Es kann dann auch eine intravenöse Flüssigkeitsgabe erforderlich sein.

Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen?
Bislang steht keine ursächliche Therapie zur Verfügung. Zur Förderung der Belastbarkeit der Muskulatur kann eine Aufnahme von Glucose oder Fructose kurz vor oder während einer körperlichen Belastung wirksam sein.
Zudem kann eine Einnahme von Kreatinmonohydrat verbunden mit einem Ausdauertraining der Muskulatur eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit langfristig erbringen.

Was ist die Ursache der Myopathien mit vermehrter Fettspeicherung im Muskel und wie äußern sich diese Erkankungen?

Bei einer Störung des Fettsäurestoffwechsels und der Fettsäure-beta-Oxidation kommt es zu einer vermehrten Speicherung von Fetten in der Muskelfaser.

Die Beschwerden können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und neben einem belastungsabhängigen Muskelschmerz auch Muskelverkrampfungen, und eine Muskelschwäche nach Belastung umfassen. Die Muskelschwäche kann auch ausgelöst werden durch Fasten oder Infekte.
Eine starke anfallsweise Erhöhung von Muskelenzymen im Serum, die dann über die Niere ausgeschieden werden, kann sich an einer Rotfärbung des Urins zeigen.
Darüber hinaus gibt es Krankheitsausprägungen mit einer Muskelschwäche der Oberarme und Oberschenkel ohne Abnahme der Muskelmasse.
Selten kann der Herzmuskel mitbetroffen sein.

Wie werden diese Erkrankungen diagnostiziert?

Durch Laboruntersuchungen mit Bestimmung der Muskelenzyme und Tandemmassenspektrometrie, elektrophysiologische Untersuchungen und Muskel-MRT kann eine erste Diagnostik stattfinden und entschieden werden, ob und aus welchem Muskel eine Muskelbiopsie sinnvoll ist.
Je nach Befundmuster kann auch eine humangenetische Untersuchung veranlasst werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen?

Wichtig ist es, Hungern oder Fasten zu vermeiden und Infekten möglichst vorzubeugen.
Ein hoher Kohlenhydratanteil der Nahrung und ein geringer Fettanteil kann zu einer Besserung der Symptomatik führen.
Die Einnahme von L-Carnitin, Riboflavin und Conzym Q10 kann bei bestimmten Formen der Erkrankung hilfreich sein.

Was sind Myotonien und wie werden sie diagnostiziert?

Die myotonen Erkrankungen der Muskulatur können von einer Muskelmasse-Abnahme begleitet sein (Myotone Muskeldystrophie TypI und II) oder vor allem durch eine Störung der Muskelentspannung charakterisiert sein (Myotonia congenita Typ Thomson, Typ Becker, Paramyotonia congenita).
Diese Erkrankungen lassen sich aufgrund der Befragung und körperlichen Untersuchung häufig schon gut erkennen und unterscheiden, ergänzend erfolgt eine Elektromyographie. Desweiteren sind humangenetische Untersuchungen sinnvoll, um die genaue Zuordnung zu bestätigen.
Bei den Myotonen Dystrophien handelt es sich um Erkrankungen, die auch andere Organsysteme mitbetreffen können, so können beispielsweise ein grauer Star, eine Fettstoffwechselstörung, ein Diabetes mellitus und eine Schilddrüsenunterfunktion vorliegen.

Wie werden Myotone Muskelerkrankungen behandelt?

Die myotone Verkrampfung der Muskulatur bei der Myotonia congenita kann medikamentös mit Mexiletil, Flecainid oder Propafenon erfolgen, wenn keine Gegenanzeigen bestehen. Es müssen unbedingt engmaschige EKG- und Laborkontrollen durchgeführt werden, Gegenanzeigen für diese Medikamente müssen mit dem Hausarzt/Kardiologen sorgfältig ausgeschlossen werden. Alternative Präparate bei Herzerkrankungen sind Gabapentin, Pregabalin oder Carbamazepin. 

Eine Gentherapie steht bisher nicht zur Verfügung.
Wie bei allen Muskelerkrankungen kommt der unterstützenden Therapie und Behandlung der Begleitmanifestationen in anderen Organsystemen eine große Rolle zu.